Digital Ageing

Gemütlicher Lebensabend? – Nur das nicht! Die Vorstellung der Menschen vom Leben im Alter wird zurzeit gründlich umgekrempelt. Erstens erreichen die Babyboomer der 50er-Jahre jetzt gerade das das Pensionsalter und sind dabei so aktiv, gesund und technologieaffin wie keine Generation je zuvor. Man sitzt vor dem Computer, facebooked und twittert kreuz und quer durch die Welt und man fährt selbstverständlich Rad, um sich auch körperlich fit zu halten. Man will einfach nicht als „alt“ abgestempelt werden. Daher muss die Wissenschaft das Altern auch völlig neu definieren. Diesen gewaltigen Umbruch treibt das Silicon Valley auch noch gehörig an, weil Unternehmen wie etwa Google, viel Geld in völlig neue Technologien investieren, die das biologische Altern hinauszögern – oder gar abschaffen sollen.
Die Science-Fiction-Vorstellung von einer alterslosen Gesellschaft nähert sich so mit gewaltigen Schritten der Realität an. Eine Entwicklung, die nun in der Studie mit dem Titel „Digital Ageing“ des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in Zusammenarbeit mit Swiss Life festgehalten wurde. Die Studie wurde am 23. Oktober 2015 vorstellt. Darin wird der Weg in die alterslose Gesellschaft aufgezeigt und die Altersvorstellungen junger und alter Menschen in einer repräsentativen Umfrage festgehalten. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, welche die alterslose Gesellschaft von morgen mit sich bringen wird, werden aufgezeigt.
Vier Zukunftsszenarien sollen zeigen, wie sich die Vorstellungen vom Leben im Alter verändern könnten. Jedes dieser Szenarien hat individuelle und gesellschaftliche Konsequenzen für die Vorsorge, die Gesundheit und Investitionen. Die Studie „Digital Ageing“ ist deshalb eine Studie nicht nur für die Gesundheitsbranche, für Versicherungen und Banken – sondern für alle Menschen, die an einem „langen Leben“ teilhaben wollen. Das Altern, so sagte früher die Wissenschaft, sei der Übergang vom Wachstum der menschlichen Fähigkeiten zu deren Bewahrung. Aktiven Zeiten des Forschens, Erfindens und Aufbauens folgt der Lebensabschnitt des eher passiven Sicherns, Sammelns und Archivierens von selbst gemachten Erfahrungen. Heute gestaltet die überaus aktive und gesunde Babyboomer-Generation das Pensionsalter aber völlig neu.
Wohin die Reise noch führen wird, ist weitgehend ungewiss. Um in dieser Richtung aber wenigstens etwas schlauer zu werden, haben GDI- Forscher den „Weg in die alterslose Gesellschaft“ erstellt. Die möglichen Zukunftsmodelle des Alters wurden dabei an zwei Faktoren ausgelotet. Erstens: Ist der Mensch eher um Bewahrung oder Wachstum seiner Fähigkeiten besorgt? Zweitens: Wie offen ist er gegenüber neuen Technologien?
Die vier Szenarien, die daraus resultieren:

1) Conservative Ageing: Die „klassischen“ Alternden. Sie wollen ihre Fähigkeiten bewahren und nutzen nahezu keine neuen Technologien. Sie werden alt, sind unflexibel und lassen kaum Innovationen zu. Sie übernehmen aber wichtige soziale Aufgaben wie etwa die Enkelbetreuung.

2) Rebel Ageing: Die „Durchstarter“. Sie nutzen die neuen Technologien, um in der noch immer analogen Welt noch mehr erleben zu können. Sie investieren ihre noch immer vorhandene Energie voll und ganz in unternehmerische und gemeinnützige Aktivitäten.
3) Predictive Ageing: Das sind die „Bewahrer“. Sie nutzen die neuen Technologien für ihre Gesundheit und messen die erblich bedingten Empfänglichkeiten für bestimmte Krankheiten (genetische Prädispositionen) für allerlei gesundheitliche Prognosen und Empfehlungen. Ihr Fokus liegt voll und ganz auf dem körperlichen Wohlbefinden. Das vermindert freilich ihre Kontaktfähigkeit gegenüber Menschen, die weniger gesund leben als sie selbst. Sie sind natürlich Nichtraucher, Antialkoholiker etc.
4) Ageless Ageing: Das alterslose Altern leben die „Progressiven“. Sie kleiden sich wie ihre Söhne und Töchter und erhoffen sich von der Technologie die Überwindung biologischer Grenzen wie Krankheit und vielleicht sogar den Tod. Das bringt aber völlig neue Herausforderungen für den Einzelnen etwa für die die Sinnsuche nach dem ewigen Leben aber auch für die gesamte Gesellschaft, die Finanzierung von all dem.
Welches Szenario dereinst dominieren wird, ist freilich weiter unklar. Klar ist nur: Die Zukunft des Lebens im Alter wird sich zwischen diesen vier Menschengruppe abspielen.

Redaktion: Gerhard Krause